Kommentar

InEinÜber


Auch wenn der Titel kurios erscheinen möchte, so muss ich sagen, ich habe keinen anderen - ebenso, wie er plötzlich da war wie ein Unfall, so war er im kompositorischen Geschehen immer wieder spürbar, verankert. Teile von drei Stücken sind ineinandergewoben, teils sofort miteinander synthetisiert, teils gegeneinander abgesetzt: "Gesänge an Nezahualcoyotl" und "GRADATIONEN" von mir selbst und - das war sofort ein Reiz gewesen - 2 Zitate aus dem Musikalischen Opfer von Johann Sebastian Bach, eine Kanonvariation in Umkehrung, Transposition, Segmentierung und freier Variation - und ein 11taktiges Zitat aus dem 6stimmigen Ricercare, dessen harmonischer Plan in seiner 6fachen Wiederholung einen Großrhythmus etabliert, in dessen beiden letzten Schwingungen das Zitat sich aus den aus ihm selbst unmittelbar abgeleiteten Stimmen allmählich ab-, heraus- und durchsetzend, heraushebt, wenngleich nie frei von anderen Stimmen.

Die Überlagerung und die melodische - einstimmige - Synthese mehrerer Quellenelemente in Eins erhebt immer die Frage und die antwortende Gestaltung nach dem Verhältnis der Schichten oder Elemente zueinander, die zugleich erklingen oder innerhalb der einen Linie ineinander vereint sind.

Welcher Faktor bewirkt, außerhalb des spekulativ-erinnernden Hörens, weshalb manche Stimmen, obgleich nicht zwingend konstruktiv miteinander verwandt, doch zueinander gesellt werden müssen, ja einander zu brauchen scheinen? Ist es der Stoff, den die im Hören schwingende Erinnerung ahnend ertastet?

Das gegenseitige simultane Sichkommentieren& Beobachten der Stimmen - wie es die Natur polyphoner Musik ist - scheint mir ein Abbild des Gegenüber - Inein-Über - von Objekt und Subjekt, Suchendem und Gefundenem, Frage und Antwort, Original und Variation, Idee und Abbild. Das Wort Reflex, Reflexion drückt aus, was auf Fensterscheiben, spiegelnden Wasserflächen, Augen zu sehen ist, was auch im betrachtenden Geist geschieht, der sich währenddessen zu einer Veränderung sammelnd einschließt - jedoch drückte nicht das Wort "Inflektion" besser das Eindringen der Gedanken und Gefühle aus als das zurückwerfende "Re"? Ist es nicht ebenso mit dem Wort "gegenüber" und dem hier konstruierten "Inein-Über", ist oder wird aus dem "gegen" - eine gewisse Dauer der Betrachtung vorausgesetzt, wie 2 einander gegenüberstehende Sphinxe - ein "in", ein "hinein", etwas, das in Geist und Herz geschrieben wird?

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